Visionen und deren Gestaltung
Die 4. Auflage der Deutschen Kulturtage in Schäßburg wurde eröffnet
Jede Gemeinschaft braucht Wegweiser. Das sächsische Volk hat dank seines hochentwickelten Schulwesens und der europäischen Verbindungen bemerkenswerte Wegbereiter hervorgebracht und allen Grund, stolz auf sie zu sein, sagte Dr. Karl Scheerer, der Vorsitzende des Deutschen Forums in Schäßburg/Sighișoara am Samstagnachmittag. Einiger dieser siebenbürgischen Persönlichkeiten – den Theologen Franz Davidis und Caspar Helth, dem Schulmann und Politiker Stephan Ludwig Roth, dem Pionier der Raumfahrt Hermann Oberth sowie dem evangelischen Bischof und Historiker Georg Daniel Teutsch – wird diese Tage im Rahmen der vierten Auflage der Deutschen Kulturtage gedacht, die Scheerer mit seiner Ansprache eröffnete. Vom Deutschen Forum veranstaltet, finden sie vom 5. bis zum 11. Juni statt.
Der Auftakt der diesjährigen Kulturtage hatte am Freitagabend mit einem wunderschönen Konzert der Augsburger Domsingknaben in der Bergkirche stattgefunden. Die Eröffnung selbst wurden wegen der seit einigen Jahren dauernden Infrastrukturarbeiten auf der Burg im Hof des Bergschul-Internates ausgetragen, der sich als geeigneter Ort hierfür erwies. Dadurch, so Lieselotte Baier, die stellvertretende Schulleiterin des Joseph-Haltrich-Lyzeums/Bergschule, werde die Schule als Kulturträgerin wahrgenommen, denn wo, wenn nicht in der deutschsprachigen Schule, werden die Werte der deutschen Kultur aus Siebenbürgen weitergegeben.
Dass dem so ist, bewiesen bei der Eröffnungsfeier die Volkstanzgruppen. Aufmarschiert sind und boten anschließend Auszüge aus ihrem Können die Kindergruppe des Schäßburger Forums unter Leitung von Lehrerin Martha Szombati sowie die aus Schülerinnen und Schülern bestehenden Jugendtanzgruppen aus Bistritz/Bistrița, Neumarkt/Tg. Mureș, Malmkrog/Mălâncrav und Schäßburg/Sighișoara, die von Ioan Arc²lean, Helmine Pop, Christian Roth und Andrea Rost geleitet werden. Der Aufmarsch erfolgte zu den Klängen der aus Schülern und Lehrern der Schäßburger Musikschule bestehenden Blaskapelle unter Leitung von Csaba Kövesi und Ambrozie Muntean, Blaskapelle, die mit Walzern, Schlagern aber auch jazzigen Tönen erfreute. Zwei weitere Programmpunkte der Kulturtage wurden am Dienstag- bzw. Mittwochnachmittag von den Schülern der Bergschule gestaltet. Im Internat aber fand am Sonntagabend auch ein „Sächsischer Abend“ statt mit sächsischen Liedern geboten von den Schäßburger „Sälwerfäddem“ unter Leitung von Lehrerin Christa Rusu, sächsischem Humor – mit spontanen Beiträgen auch aus dem Publikum –, evangelischem Speck, Hanklich und guter Stimmung.
Das Motto der diesjährigen Kulturtage lautet „Visionen – Gestaltung – siebenbürgische Wegbereiter“ und dieses Thema fand Dr. Paul-Jürgen Porr, der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, als sehr treffend. Visionäre der Siebenbürger Sachsen seien nicht bloß Conrad Haas oder Hermann Oberth sondern auch die Gründer des Deutschen Forums in den Monaten gewesen, als mehr als die Hälfte der Landsleute auswanderten, sagte er in seinem Grußwort. Eingetreten ist kein Finis Saxoniae, sondern das „Wunder“, dass die Verwaltung von Hermannstadt/Sibiu erneut in sächsischer Hand ist. All dies sei möglich, weil die Sachsen nie im Visionären verblieben, sondern zum Gestalten übergingen, so Dr. Porr. Dabei sollte die von Dr. August Schuller, dem ehemaligen Stadtpfarrer und nun Vorsitzenden der Schäßburger Heimatortsgemeinschaft, gemachte Empfehlung beherzigt werden: Angesichts der großen Veränderungen in der evangelischen Kirche, der ehemaligen sächsischen Gemeinschaft und dem privaten Leben, wird das Loslassen von liebgewonnenen Vorstellung erwartet und die Bereitschaft, ohne Vorbehalte auf Neues zuzugehen. Traditionen lassen sich nämlich erfahrungsgemäß auch dadurch zerstören, dass man ihre Anpassung an den Wandel der Zeit verpasst, sagte er.